Assistenzsysteme für die Vermeidung von Fußgänger-Kollisionen beim Rückwärtsfahren
Stand: Juli 2023
Hinweis: Die vorliegende Information beschreibt die der BGN zum Zeitpunkt der Erstellung bekannten Systeme und Hersteller. Sie enthält keine Empfehlung zum Einsatz oder Kauf eines bestimmten Produkts / Systems. Sollten Ihnen weitere Hersteller von Assistenzsystemen bekannt sein oder sollten Sie selbst Hersteller eines solchen Systems sein, bitten wir Sie um Nachricht unter
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so dass wir dies bei der nächsten Aktualisierung dieser Information berücksichtigen können.
Ein großer Sicherheitsgewinn beim Rückwärtsfahren bzw. -rangieren ergibt sich durch den Einsatz von Kamera-Monitor-Systemen oder 360-Grad-Kamera-Systemen. Diese Systeme erleichtern durch Live-Bilder die Erkennung von Personen und Hindernissen. Ideal ist die Verbindung mit einem signalgebenden oder mit einem eingreifenden Rückfahr-Assistenzsystem.
Zur Anpassung an die Lichtverhältnisse sind Kamera-Monitor-Systeme mit angepasster Lichtempfindlichkeit sinnvoll. Der Markt für Kamera-Monitorsysteme ist dabei unüberschaubar groß, somit werden hier nur ein paar grundlegende Hinweise gegeben (Quelle: BGHM-Information 108 „Be- und Entladen von Fahrzeugen“, April 2018).
A: Notwendige Qualitätsmerkmale eines Kamera-Monitor-Systems
Die Kamera sollte die IP-Schutzklasse IPX9K (X sollte 5 oder mehr sein) haben, damit ein Schutz auch bei Reinigung des Fahrzeugs mit Hochdruckreiniger gegeben ist. Die Kameraoptik muss vor Steinschlag geschützt, unempfindlich gegen Einflüsse wie Temperaturschwankungen, Tau, Regen und Frost sein. Eine ausreichende Widerstandsfähigkeit gegen Schocks / Vibrationen wird durch eine Prüfung nach den Anforderungen der Norm ISO 16750-3 nachgewiesen. Um auch bei winterlichen Verhältnissen funktionsfähig zu sein, muss das System beheizbar sein.
Die Kamera sollte zur Reinigung des Objektivs entweder mit einer Sprühdüse oder einer automatischen Klappe versehen und zur gefahrlosen Reinigung von außen zugänglich sein (z. B. von Stufenaufstiegen bzw. Standflächen aus), ohne dass weitere Hilfsmittel (Leitern, Tritte) erforderlich sind. Weitere Anforderungen an das System sind die Reduzierung von Blendung und Überbelichtung im Bild.
Der Monitor wird grundsätzlich durch Betätigen des Fahrtrichtungsanzeigers oder des Rückwärtsgangs aktiviert. Er soll eine Auflösung haben, die mindestens der der Kamera entspricht und das Bild in Farbe wiedergeben. Das System muss melden, wenn das Bild aufgrund einer Signalstörung „eingefroren“ ist. Der Monitor muss zur Verminderung von Reflexionen einen matten Bildschirm und eine manuelle Helligkeitsregulierung haben oder (besser) die Helligkeit automatisch anpassen. Durch eine Sonnenblende sollte Sonnenlicht vom Bildschirm ferngehalten werden. Der Monitor soll einfach auf die individuellen Belange des Fahrers einzustellen sein sowie über eine feste Standardeinstellung verfügen. Die Monitorgröße ist in Abhängigkeit von der Entfernung zum Fahrzeugführenden auszuwählen (Altersweitsicht berücksichtigen!).
Der Monitor darf nicht im Auslösebereich der Airbags montiert sein oder das Sichtfeld, vor allem die Sicht nach draußen, beeinträchtigen. Er darf auch nicht zur Gefahr bei einem Unfall werden, z. B. durch die Möglichkeit des Aufpralls mit Kopf oder Körper. Scharfe Ecken und Kanten sollten ausgeschlossen sein.
(Anforderungen zitiert nach „Einkaufsratgeber für gewerblich genutzte Fahrzeuge Kraftfahrzeuge und Anhänger zur Güterbeförderung der Fahrzeugklassen N2, N3, O“, Stand Mai 2019, Hrsg. BG Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation)
B: 360-Grad-Kamera-Systeme („Bird-View-Systeme“)
360-Grad-Kamera-Systeme sind „intelligente“ Kamerasysteme, die den Vorteil bieten, dass tote Winkel komplett vermieden sind. Sie ermöglichen eine vollständige Sicht auf die gesamte Umgebung in einem einzigen Bild aus einer virtuellen Vogelperspektive und sind insbesondere für Fahrmanöver bei niedrigen Geschwindigkeiten sinnvoll. Durch die Echtzeit-Darstellung in einem einzigen Bild wird eine wahrnehmungsmäßige und kognitive Überforderung des Fahrers vermieden. Die Systeme funktionieren mit Weitwinkel-Kameras, die vorn, seitlich und hinten an der Oberseite des Fahrzeugs montiert werden und die gesamte Fahrzeugumgebung erfassen. Die Bilder werden in einer Steuereinheit miteinander verbunden, entzerrt und zusammengefasst als ein einziges Bild übertragen.
Inzwischen sind am Markt zahlreiche 360-Grad-Kamerasysteme verschiedener Hersteller erhältlich, die an vorhandenen Fahrzeugen nachgerüstet werden können.
C: Rangier-Warneinrichtungen
Rangier-Warneinrichtungen, auch Abstandswarnsysteme genannt, stellen eine weitere Möglichkeit zur Risikominderung beim Rückwärtsfahren dar. Sie arbeiten üblicherweise mit Ultraschallsensoren und sind am Fahrzeugheck installiert. Die Sensoren senden und empfangen Ultraschallsignale und berechnen aus deren Laufzeit die Distanz zum Hindernis. Das Fahrpersonal wird durch eine optische Anzeige oder ein akustisches Signal gewarnt, wenn sich eine Person oder ein Hindernis hinter dem Fahrzeug befindet. Mit zunehmender Annäherung an das Hindernis werden verschiedene Warnbereiche und schließlich der Kollisionsbereich aktiviert. Gleichzeitig verändern sich die Signaleigenschaften, so dass das Fahrpersonal den aktuellen Abstand zum Hindernis abschätzen kann.
D: Aktiver Eingriff des Systems in das Bremsgeschehen
Das aktive Eingreifen des Systems in das Bremsgeschehen bedeutet einen erheblichen Fortschritt gegenüber herkömmlichen Rückfahrassistenten, die lediglich optisch oder akustisch vor Hindernissen im Heckbereich des Fahrzeugs warnen. Das Rückfahrassistenzsystem gewährleistet uneingeschränkte Sicht in den Gefahrenbereich hinter dem Fahrzeug und warnt, wenn sich ein Hindernis im Gefahrenbereich hinter dem Fahrzeug befindet. Darüber hinaus greift es auch aktiv in das Bremssystem ein, wenn Kollisionsgefahr besteht.
Weitere Informationen und Hilfen finden Sie auch unter:https://www.bg-verkehr.de/medien/news/2022/ausgabe-6-2022/aktuell/gepruefte-sicherheit-beim-rueckwaertsfahren