Assistenzsysteme für die Vermeidung von Fußgänger-Kollisionen bei der Vorwärtsfahrt
Stand: Januar 2021
Hinweis: Die vorliegende Information beschreibt die der BGN zum Zeitpunkt der Erstellung bekannten Systeme und Hersteller. Sie enthält keine Empfehlung zum Einsatz oder Kauf eines bestimmten Produkts / Systems. Sollten Ihnen weitere Hersteller von Assistenzsystemen bekannt sein oder sollten Sie selbst Hersteller eines solchen Systems sein, bitten wir Sie um Nachricht unter
tad_bb_praevention@bgn.de
so dass wir dies bei der nächsten Aktualisierung dieser Information berücksichtigen können.
A: Uneingeschränkte direkte Sicht ermöglichen
Im Hinblick auf die Vermeidung von Kollisionen bei der Vorwärtsfahrt ist zunächst darauf zu achten, dass der Blick durch die Front- und Seitenscheiben des Fahrzeugs ohne Einschränkung möglich ist. In der Praxis ist häufiger zu beobachten, dass Teile des Sichtfeldes durch auf der Armaturentafel oder an den Fenstern angebrachte Gegenstände (wie etwa Wimpel, Schilder, Vorhänge aber auch Monitore) eingeschränkt sind.
B: Sicht durch Spiegel ermöglichen
Zur Vermeidung von Kollisionen bei der Vorwärtsfahrt spielt der vorgeschriebene Frontspiegel (Sichtfeldklasse VI) eine wichtige Rolle, da er dem Fahrer ermöglicht, beim Anfahren Fußgänger, die sich in unmittelbarer Nähe zur Fahrzeugfront befinden, zu erkennen. Die Fahrer müssen die Spiegel ihres Fahrzeugs regelmäßig auf Sauberkeit und richtige Einstellung prüfen und ggf. nachjustieren. Spiegeleinstellplätze (LKW-Parkflächen mit Farbflächen, die mit den Spiegelsichtfeldern korrespondieren) können dazu als Hilfe durch den Betrieb eingerichtet werden. Die Ausrüstung mit einer Spiegelheizung ermöglicht es, die Spiegel eisfrei zu halten.
C: Sicht durch Kamera-Monitor-Systeme weiter verbessern
Zunehmend werden Spiegel durch Kamera-Monitor-Systeme (KMS) ersetzt. Wird der Front- oder Rampenspiegel (Sichtklassen V und VI) durch ein KMS ersetzt, muss auf dem Monitor das Bild der Front- oder Seitenkamera bei Geschwindigkeiten zwischen 0 km/h (stehend) und bis 30 km/h zu sehen sein. Das bedeutet, dass das System beim Starten des Motors zwangsaktiviert werden muss.
Optimalerweise werden die Perspektiven des Front- und des Rampenspiegels in einem einzigen Monitorbild dargestellt, um die Orientierung des Fahrers zu erleichtern. Die Kamera soll auch bei Dunkelheit ein Bild mit möglichst hoher Auflösung erzeugen und gegen Einflüsse durch Verschmutzung geschützt sein.
Sogenannte „Bird-View-Systeme“ stellen in der Regel ebenfalls das Sichtfeld vor der Front des Lkws dar.
D: Herstellerseitige Fahrerassistenzsysteme
Nach Kenntnisstand der BGN bietet von den Fahrzeugherstellern derzeit nur Mercedes für seine Actros- und Antos-Modelle ein eingreifendes Assistenzsystem zur Vermeidung von Fußgängerkollisionen in der Vorwärtsfahrt an. Unter dem Namen Active Brake Assist 5 (ABA 5) wird ein kombiniertes radar- und kamerabasiertes System angeboten, das nach Herstellerangaben eine Kollision mit einem kreuzenden oder sich bereits in der Fahrlinie befindlichen Fußgänger zuverlässig bis zu einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h verhindert.
Seit November 2019 bietet Mercedes das ABA 5 auch als Nachrüstlösung an, sofern das Fahrzeug nicht älter als 2 Jahre ist. War das System bis Ende 2019 nur in einem aufpreispflichtigen „Safety-Paket“ erhältlich, ist es in den ab Januar 2020 ausgelieferten Actros-Lkw serienmäßig verbaut.
Allerdings ist auch beim ABA 5 die Möglichkeit gegeben, das System abzuschalten bzw. durch eine Reaktion des Fahrers (Gas geben, bremsen, lenken) zu „übersteuern“, d.h. außer Kraft zu setzen. Dabei kann es sich aber auch um eine Fehl- oder Schreckreaktion handeln. Insofern spielen Einweisung und Schulung der Fahrer, evtl. auch mit einem Real-Training eine große Rolle.
E: Nachrüstsysteme
Der Anbieter Mobileye bietet das System Mobileye Shield+ an, das bei Tageslicht den Fahrer bis zu 2 Sekunden vor der Kollision mit einem vor dem Fahrzeug befindlichen Fußgänger durch optische und akustische Signale warnt. Das System greift nicht in die Fahrdynamik ein. Es funktioniert mit 2 bis 8 sog. Vision-Sensoren, die kontinuierlich die Straße vor dem Fahrzeug und die toten Winkel auf beiden Seiten des Fahrzeugs sowie an der A-Säule und dem linken Außenspiegel überwachen. Es kann in nahezu allen großen Fahrzeugen ab einer Länge von 6 Metern installiert werden. Die Technologie basiert auf maschinellem Lernen und Computervision-Algorithmen, die die Fahrumgebung kontinuierlich analysieren, um Gefahren wie andere Fahrzeuge, Fußgänger, Fahrradfahrer und Motorradfahrer zu erkennen.
F: Rangier-Warneinrichtungen
Zur Vermeidung von Kollisionen bei der Vorwärtsfahrt könnte auch ein an der Front des Fahrzeugs wirkendes Abstandswarnsystem auf Ultraschallbasis beitragen, wie es aus dem Pkw-Sektor (hier als Einparkhilfe) hinlänglich bekannt ist. Die Parkhilfefunktion ist zwar für einen Lkw aufgrund der senkrechten Frontpartie nicht relevant, das System kann aber den Fahrer vor unmittelbar vor dem Fahrzeug stehenden oder gehenden Personen warnen. Voraussetzung für eine gute Wirksamkeit ist jedoch, dass das System nicht oder allenfalls kurzfristig abschaltbar ist.