Assistenzsysteme für die Vermeidung von Fußgänger-Kollisionen beim Rechtsabbiegen

Stand: Juli 2023

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Hinweis: Die vorliegende Information beschreibt die der BGN zum Zeitpunkt der Erstellung bekannten Systeme und Hersteller. Sie enthält keine Empfehlung zum Einsatz oder Kauf eines bestimmten Produkts / Systems. Sollten Ihnen weitere Hersteller von Assistenzsystemen bekannt sein oder sollten Sie selbst Hersteller eines solchen Systems sein, bitten wir Sie um Nachricht unter
tad_bb_praevention@bgn.de
so dass wir dies bei der nächsten Aktualisierung dieser Information berücksichtigen können.

A: Grundlegende Funktionsweise und Anforderungen an Lkw-Abbiegeassistenten

Abbiegeassistenten weisen den Fahrer eines Lkw auf Fußgänger und Radfahrer hin, die sich rechts neben dem Fahrzeug befinden und warnen ihn bei beginnendem Abbiegevorgang vor einer möglichen Kollision. Die Systeme müssen ab Einschalten der Zündung aktiv sein und dürfen nicht durch den Fahrer abgeschaltet werden können. Eine Warnung muss bei Fahrzeuggeschwindigkeiten im Bereich vom Stillstand bis mindestens 30 km/h und bei Bewegungsgeschwindigkeiten im Bereich von 5 km/h bis 20 km/h erfolgen (d. h. stillstehende Fußgänger rechts neben dem Lkw werden, da sie sich selbst nicht bewegen, unter Umständen nicht detektiert, vgl. Abschnitt D). Um den Abbiegeassistenten in den relevanten Situationen zu aktivieren, wird er an den Lenkeinschlag oder an den Fahrtrichtungsanzeiger des Lkw gekoppelt.
Laut der EU-Verordnung2019/2144 zur Typgenehmigung, die am16. Dezember 2019 verkündet wurde, sind Abbiegeassistenten (dort: „Totwinkel-Assistent“) ab 6.Juli 2022 für neue Fahrzeugtypen und ab 7. Juli 2024 für neue Fahrzeuge verpflichtend.


B: Herstellerseitige Abbiegeassistenzsysteme

Seit Ende 2019 bietet Mercedes für seine Modelle Actros und Antos herstellerseitig eingebaute Abbiegeassistenten an. Dieses Sicherheitssystem lässt sich seit 12-2019 auch bei vielen Modellen der Baureihen Actros, Arocs und Econic ab dem Baujahr 2017 nachrüsten.

Seit Mitte 2021 stehen für die neuen Modelle Actros F und Actros Edition 2 mit dem Active Brake Assist 4 und 5 erste eingreifende Abbiegeassistenten als Seriensystem zur Verfügung. Diese neue Systemr warnen nicht nur den Fahrer, sondern leiten eine automatisierte Bremsung bis zum Stillstand ein, wenn der Fahrer nicht auf die vorherigen Warnsignale reagiert. Die Systeme können über den Lenkwinkel die Notwendigkeit dieses Bremseingriffs erkennen und im Idealfall eine mögliche Kollision verhindern. Derzeit handelt es sich um das weltweit einzige derartige System.

MAN bietet mit dem MAN Video-Abbiege-System ein kamerabasiertes System an.

Aktuell sind bei DAF für die Sattelzugmaschinen neuer Generation Abbiegeassistenten ab Werk erhältlich. Die Systeme arbeiten auf der Basis der Radartechnologie und werden für ältere Modellreihen auch als Nachrüstsystem angeboten.

VOLVO Trucks arbeitet werksseitig mit Systemen, die auf radarbasierte und sensoroptische Techniken zugreifen.


C: Nachrüstsysteme

Systeme, die vom Kraftfahrtbundesamt eine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) erteilt bekommen haben:
Kraftfahrt-Bundesamt - ABE - Abbiegeassistent (kba.de)
Dabei wird unterschieden zwischen Abbiegeassistenzsysteme nach Empfehlungen zu techn. Anforderungen vom 19.09.2018 und Abbiegeassistenzsysteme nach Empfehlungen zu technischen Anforderungen vom 04.04.2022 unterschieden.
Hier finden Sie auch aktuelle Informationen zu Stand der ABE-Genehmigungen und zu Förderungen.
Abbiegeassistenzsysteme, die nicht über eine Allgemeine Betriebserlaubnis verfügen, können förderfähig sein, wenn ein entsprechendes Gutachten die Erfüllung der technischen Anforderungen der Empfehlungen bestätigt. Bitte informieren Sie sich bei Ihrem Vertragshändler.

Einen Artikel zum Thema mit einem Test des ADAC der Systeme von 08-2021 finden Sie unter:
https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/ausstattung-technik-zubehoer/assistenzsysteme/lkw-abbieg


D: Anmerkung zur Detektion unbewegter Personen

Intelligente Kamerasysteme und radarbasierte Systeme benötigen immer eine Bewegung in Fahrtrichtung des Lkw. Oft genügt hier ein geringer Bewegungswinkel in Fahrtrichtung und ein geringes Bewegungstempo, die Empfindlichkeit der verschiedenen Systeme sind jedoch unterschiedlich. Ultraschall-Systeme reagieren dagegen auch auf unbewegte Objekte, was im normalen Straßenverkehr wegen der vielen Fehlauslösungen problematisch ist. Nach einem Test von neun verschiedenen Rechtsabbiege-Assistenzsystemen (8/2021) rät der ADAC dazu, grundsätzlich klassifizierende Systeme einzubauen. Solche Systeme können feste Hin-dernisse von Fußgängern und Radfahrern unterscheiden. Der ADAC empfiehlt, nur solche Systeme einzubauen, die keine Fehlwarnungen generieren – dies entlastet die Fahrer und trägt erheblich zur Akzeptanz des Systems bei.

Fazit: Vor der Entscheidung für ein bestimmtes System ist es wichtig, sich die Vor- und Nachteile sowie die technischen Grenzen des jeweiligen Rechtsabbiege-Assistenten bewusst zu machen.